Fundstücke

Glocke und Poch

Neben dem Stall am Günnemann-Kotten, begraben unter Brennnesseln und Brombeeren, lagen eine alte Tür und eine Schlachtglocke. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren das Bestandteile der üblichen Hausschlachtung von Schweinen. Nachdem der bestellte Metzger das Tier vor Ort getötet hatte, legte man es auf eine ausgehängte Tür. Dort übergoss man es mit heißem Wasser und schabte die Borsten mit der Schlachtglocke ab. Mit den Haken an der Glockenspitze zog man dem Tier die Klauen aus. Anschließend wurde die Tür aufgerichtet und das Tier an der Tür an einem sogenannten Poch, einem Kleiderbügel-ähnlichen, gebogenen Holz aufgehängt.

Rostige Schlachtglocke, die früher bei Hausschlachtungen verwendet wurde. Dem Schwein wurden damit die Borsten und Klauen entfernt.
Schlachtglocke mit Haken

Beschreibung: konischer Körper aus Eisenblech, unten offen und nachträglich eingedrückt, oben zwei Haken
Maße: Höhe 17,5 cm, unterer Durchmesser ca. 10 cm
Hersteller: unbekannt, Herstellungszeitraum: unbekannt, vermutlich 1950er Jahre
Fundort: Günnemann-Kotten, Mistfall

Literatur: Vera Steinborn, Arbeitergärten im Ruhrgebiet. Eine Zeitreise in Bildern und Texten, hrsg. LWL-Industriemuseum (Essen 2020)

Heiß wie die Hölle

Die leere Kaffeedose fand sich im alten Vorratsraum des Kottens. Informationen zur Kaffeerösterei Nörenberg sind kaum vorhanden.

Das Hamburger Magazin „Der Spiegel“ berichtete Anfang der 1960er Jahre mehrfach über Entwicklungen im Kaffeehandel, u. a. auch über die Großrösterei Nörenberg. So musste sich Nörenberg 1961 vor Gericht verantworten, da er das Gewicht der Verpackungen in den Verkaufspreis eingerechnet hatte. Es sei ihm damit gelungen, pro Packung von 125 Gramm Kaffee jeweils 8 Pfennige und damit monatlich mehr als 100.000 DM zusätzlich zu verdienen. Nörenberg rechtfertigte sich, dass das schon länger eine allgemein übliche Geschäftspraxis sei. Das bestätigte sich später auch.

Wenige Jahre zuvor hatten sich in Deutschland zwei große Gruppen von Kaffeeanbietern herausgebildet: Die sogenannten Konservativen, auch Abpacker genannt, die die Lebensmittelhändler belieferten sowie die Filialisten und Versender. „Der Spiegel“ listete 1962 von den in Deutschland vorhandenen rund 100 Filialisten namentlich Eduscho, Tchibo, Arko, Frielo und Nörenberg auf. Als Nörenberg den Betrieb 1962 an den Brasilianer Mario Wallace Simonsen für 6,5 Millionen DM verkaufte, gehörten auch seine 116 Filialen mit dem Namen „Nörenberg Spitzenkaffee“ dazu (zum Vergleich: der Röster Tchibo betrieb im gleichen Jahr 252 Filialen mit einem Absatz von 45-50 Millionen Pfund Kaffee jährlich).

Kaffeedose der Hamburger Rösterei Nörenberg.
Kaffeedose mit Umschrift NÖRENBERG-KAFFEE HAMBURG

Offensichtlich hatte Nörenberg einen günstigen Zeitpunkt für seinen Verkauf gewählt, denn in dem Jahr begann unter den Kaffeeanbietern ein Preiskampf, den die Bremer Großrösterei Jacobs mit einer Preissenkung von 20-40 Pfennige pro Pfund ausgelöst hatte. Damit verstärkte sich der ohnehin schon vorhandene Trend der Monopolisierung im Kaffeegewerbe, dem viele Unternehmen zum Opfer fielen.

Die Verwaltung seiner Rösterei befand sich von 1953-1956 im sogenannten Chilehaus nahe des Hamburger Zentrums. Anschließend bezog die Rösterei Nörenberg in Altona ein 1955 errichtetes Gebäude (Architekt Paul Ehler). Das Haus steht noch, allerdings mit anderer Nutzung. 1957 kaufte Artur Nörenberg das durch die drei Immenhof-Filme (gedreht zwischen 1955-1957) bekannt gewordene Gut Rothensande bei Malente in Schleswig-Holstein.

Beschreibung: konische Blechdose, farbig, Wandung mit kreisrunden, regelmäßig angeordneten Dellen, jeweils mit zwei dunkelfarbigen Linien umrandet
Maße: Höhe 17 cm, Ø oben 9 cm, Ø unten 12 cm, Füllmenge 500 g
Hersteller: Großrösterei Artur Nörenberg, Hamburg-Zentrum bis 1956, danach Hamburg-Altona, Große Bergstraße 213/Lornsenstraße 2-4; Verkauf 1962
Herstellungszeitraum: 1950er Jahre
Fundort: Günnemann-Kotten, Vorratsraum

Literatur: Heiß wie die Hölle (Nörenberg-Kaffee, Der Spiegel 42/1962).

Brunnenziegel

Trapezförmiger Lehmziegel, breitseits mit drei Lochpaaren gelocht (vermutlich Brunnenziegel).
Radialziegel (Kanalschachtklinker)

Beschreibung: trapezförmiger Lehmziegel, breitseits mit drei Lochpaaren gelocht, Schmalseite Stempel mit dem unvollständigen Schriftzug ALLER (?)
Maße: erhaltene Länge 18,5 cm, Breite unten 16,5 cm, erhaltene Breite oben 12,5 cm,
Höhe 7,1 cm
Hersteller: vermutlich Verden an der Aller
Herstellungszeitraum: um 1950
Fundort: Günnemann-Kotten, Ostufer der Brunebecke.

ÖlkanneBergmann Nr. 331

Die kleine Ölkanne lag auf dem Boden des ehemaligen Außensitzes und späteren Lagerraum neben dem Günnemann-Kotten. Vergleichbare Ölkannen wurden von Bergleuten gegen Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts benutzt. Im Bergbau wurde anfangs jedem eine Personennummer zugeteilt, die als Blechmarke am Eingang der Erkennung diente. Diese Nummer wurde auf Werkzeugen, später auch an Arbeitsanzügen angebracht. Damit könnte die Ölkanne von einem Bergmann benutzt worden sein, der die Personennummer 331 besaß – von den Bewohnern des Günnemann-Kottens arbeiteten in dieser Zeit einige auf der Zeche Wiendahlsbank.

Konische Eisenblechkanne mit leicht gebogenem Ausguss und Aufhängehaken.
Ölkanne

Beschreibung: konische Eisenblechkanne mit leicht gebogenem Ausguss und Aufhängehaken, quer eingeschobener Messing(?)stift mit schmaler Fließrinne und Feder, aufgelötete Marke mit der Zahl 331, Personennummer eines Bergmanns, vermutlich Zeche Wiendahlsbank
Maße: Höhe 29,5 cm, Ø Boden 9 cm
Hersteller und Herstellungszeitraum: unbekannt, vermutlich um 1900
Fundort: Günnemann-Kotten, Lagerraum
Hinweise auf Ölkanne und Nummer: Willi Garth, Hörde

Eingeweckt

Der Deckel gehörte zu einem Einmachglas „Ruhrglas DIN 95“ der Sorte Schleifrandglas und wurde von der „Glaswerke Ruhr AG“ wahrscheinlich in den Jahren zwischen 1940 bis 1959 gefertigt. Hugo Stinnes hatte die Glasfabrik 1923 in Essen-Karnap gegründet. Der Mülheimer Unternehmer besaß zu diesem Zeitpunkt einen weltweit agierenden Montan-, Industrie- und Handelskonzern und war bekannt für seinen Einfallsreichtum, Nebenprodukte seiner Firmen für Synergieeffekte zu nutzen. So kam er auf die Idee, das Kokereigas des benachbarten Kohlenbergwerks „Mathias Stinnes“ für die Beheizung von Glasschmelzöfen zu verwenden: „Glas durch Gas“ lautete eine Zeitungsüberschrift. Nach verschiedenen Fusionen, Verkäufen und Umbenennungen firmiert die Firma für Behälterglas heute noch unter dem Namen „Verallia Deutschland AG“ an der Ruhrglasstraße 50 in Essen.

Deckel eines Einmachglases.
Ruhrglas-Deckel

Hugo Stinnes nutzte die Gunst der Stunde, hatte doch gerade Johannes Weck das Einmachen oder Einkochen auf der Grundlage einer Erfindung von Rudolf Rempel entwickelt. Dabei wurden Nahrungsmittel durch Erhitzen keimfrei gemacht und luftdicht verschlossen. Glasgefäße galten dafür als ideale Behälter, waren sie doch durch ihre glatte Oberfläche hygienischer und geschmacksneutraler als die bis dahin verwendeten Holz- und Tongefäße und zudem durch die industriell mögliche Fertigung günstig zu erwerben. Das Verfahren wurde in den Haushalten schnell akzeptiert und auch Marken anderer Firmen, wie Frauenlob, Rex und Ruhrglas drängten auf den Markt. Doch die Firma Weck konnte sich behaupten und wurde so bekannt, dass der Name zur Tätigkeit avancierte und das Einwecken sogar im Duden Aufnahme fand.

Beschreibung: runder Glasdeckel, Schleifrandglas, Glasmarke gekreuzte Schlägel und Schwert
Maße: Ø 10,5 cm, Füllmenge 95 Zentiliter als Soll-Randvolumen
Hersteller: Glaswerke Ruhr AG, Essen-Karnap;
heute Verallia Deutschland AG, Ruhrglasstraße 50, Essen-Karnap
Herstellungszeitraum: 1940-1959
Fundort: Günnemann-Kotten, Garten